Römerausstellung
Das spätrömische Kastell Zurzach-Rheinheim
Nach der friedlichen Zeit des zweiten und der ersten Hälfte des 3. Jh. änderte sich die Situation grundlegend. Seit dem Ende des 3. Jh. bildete die Rheinlinie wieder, wie schon zur Zeit des Kaiser Tiberius, die Grenze des Römerreiches gegen Germanien.
Ein Gürtel von starken Festungen und Wachttürmen entstand um 3. Jh. und im Verlaufe des 4. Jh. am linken Rheinufer. Vielleicht schon zu Ende des 3. Jh. sicher aber im 4. Jh., errichtete das Militär östlich des heutigen Fleckens Bad Zurzach ein mächtiges gemauertes Doppelkastell, das westliche Kastell auf dem Kirchlibuck und das östliche auf Sidelen.
Die zugehörige Brücke über den Rhein führte zu einem Vorwerk auf der rechten Rheinseite, dessen Reste unter Kirche, Pfarrhaus und Pfarrgarten von Rheinheim ergraben wurden. Sie ist nach dem Ausweis dendrochronologischer Untersuchen im Jahre 368 erbaut oder erneuert worden, es wurden dafür aber auch ältere Pfähle – von einer älteren Rheinbrücke? – verwendet.
Wenige Jahre später -376 – musste die Brücke repariert werden. Ob das starke Festungswerk mit seinen drei geräumigen und massiven Kastellen in einem Zug oder sukzessive in Etappen errichtet wurde, wissen wir nicht.
Möglicherweise ist die Festung auf dem Kirchlibuck, dessen Umfassungsmauer in der Art hochmittelalterlicher Burgen dem Plateaurande folgt, der älteste Teil der Anlage. Die hier festgestellte massenhafte Verwendung von Spoliensteinen tritt nach den Erfahrungen von Rudolf Laur-Belart jedenfalls besonders häufig bei diokletianisch-constantinischen Bauten auf.
Hinzu kommt, dass an den Türmen nachträgliche bauliche Änderungen nachgewiesen sind. Die beiden in der Form verschobener Quadrate regelmäßig angelegten Kastelle Sidelen und Rheinheim – der Typ gilt gelegentlich als valentinianisch – sind vielleicht erst später zur Verstärkung der ursprünglichen Anlage entstanden.
Um 400 mag das Kastell von der regulären Besatzung verlassen worden sein; 401 zog der Reichsverweser Stilicho die Truppen zum Schutze Italiens vom Rhein über die Alpen zurück. Eine kleine Restgruppe und eine Art „Heimwehr“ dürften das Festungswerk instand gehalten haben.
Quelle:H.R. Sennhauser, Die Alamannen, S. 465 f
Fundmaterial
Bei den Geländearbeiten wurden 1358 fundreiche Gruben sowie die Gräben der Lagerbefestigung – und Strassen aufgedeckt. Die Strukturen überlagern einander nicht, das Areal war in späterer Zeit nicht überbaut, und es fanden dort kaum Umlagerungen statt. Diese außerordentlichen befundgenuinen Merkmale ergänzen eine über die Jahre hinweg gleiche Grabungsmethode mit sorgfältiger Dokumentation der Kontexte und Funde, welche bis hin zu kleinsten Fragmenten geborgen wurden. Vor diesem Hintergrund gelang es Dr. Gerhard Fingerlin, die reichen Grubeninventare bis 1998 in zwei Katalogbänden vollständig vorzulegen. Parallel begannen die ersten systematischen Fundbearbeitungen. 1998 publiziert Jürg Leckebusch die Ergebnisse seiner Untersuchung der Kochtöpfe, 2006 erschien die Synthese aus Katrin Roth-Rubis Beschäftigung mit dem Dang-stettener Tafelgeschirr. Im Jahr 2009 wurde der bisher letzte Katalog mit Thema „Die Amphoren“ von Frau Ulrike Ehmig als Habilitationsschrift eingereicht. (1)
In einem Truppenlager erwartet man vor allem militärische Funde, Waffen und Ausrüstungsteile, doch überwiegt in Dangstetten das nichtmilitärische: Keramik, Gebrauchsgegenstände, Handwerkszeug und viele Tierknochen, die mit anderen Speiseabfällen weggeworfen wurden. Unter den Waffen finden sich Teile von Schwertern und Dolchen, Pilumspitzen, Bruchstücke von Helmen, Ketten- und Plattenpanzern. Die Reiter sind bezeugt durch Trensen und eiserne Hufschuhe, Ketten, Reste vom Zaumzeug und verschiedenen Anhänger vom Pferdegeschirr.
Zur Tracht des römischen Legionärs gehört eine Fibel (Gewandschließe), mit der ein Umhang an der Schulter geschlossen wird. Solche Fibeln sind in vielen Formen vertreten. Sie weisen teilweise auf gallische teilweise italische Herkunft ihrer Träger.
Aufschlüsse über die Nachschubwege der Truppe erhalten wir dagegen aus der Keramik, vor allem der sogenannten Terra Sigillata, dem rot glänzenden Tafelgeschirr, dann auch aus feinen Bechern und Lampen. Ein großer Teil der Funde weist auf Südgallien (Lyon) als Herkunftsort, wodurch der Weg über Rhòne und Rheintal als wichtige Verbindungslinie des römerischen Heeres erkennbar wird. Die kostbaren Gläser, die vor allem im Bereich der Stabsgebäude zum Vorschein kamen, bezog man dagegen ausnahmslos aus Italien. Amphoren mit Wein und Öl kamen überwiegend aus Italien, Südfrankreich und Spanien.
Zahlreiche Schreibgriffel und Siegelkapseln für die auf Wachstäfelchen geschriebenen Briefe zeigen uns, dass sehr wahrscheinlich auch ein großer Teil der Mannschaft lesen und schreiben konnte. Spielsteine und Reste von Spielfeldern, auf Keramikplatten eingeritzt, weisen auf die Freizeitbeschäftigung außerhalb des langen und harten Dienstes hin. (2)
Quellen:
(1) U. Ehmig, Dangstetten IV
(2) W.Papst
Entdeckung und Ausgrabung
Das frührömische Lager von Dangstetten am Hochrhein wurde 1967 beim Kiesabbau entdeckt. Die Ausgrabungen dauerten mit Unterbrechungen fast zwei Jahrzehnte und lieferten für Südwestdeutschland einzigartiges Fundmaterial. Dieser setzt sich zusammen aus Teilen der militärischen Ausrüstung, aus Trachtbestandteilen, Dingen des täglichen Bedarfs, Werkzeugen, Lampen, Tongeschirr Gläsern, Amphoren, worunter besonders die zahlreichen gestempelten Sigillaten aus italischen und vereinzelt südfranzösischen Werkstätten, sowie der reiche Bestand an Fibeln herauszuheben ist. Das Lager kann sehr genau datiert werden: um 15 v. Chr. gegründet, wurde es wohl schon im Jahr 8 oder 7 v.Chr. wieder aufgegeben. Die fundreichen Strukturen überlagern sich nicht, der Platz wurde nie modern überbaut. Bei den Grabungen hat man selbst kleinste Fragmente geborgen und jedes Detail sorgfältig dokumentiert. Dies alles macht das Material von Dangstetten zu einem besonders wertvollen Forschungsobjekt.
Für eine nach Norden, gegen das Gebiet um die obere Donau operierende Truppe war der Platz auf der rechten Seite des Rheintals vorzüglich gewählt. Er lag nahe dem Fluss, der an dieser Stelle von einem alten Verkehrsweg überquert wurde, auf dem man vom Schweizer Mittelland, letztlich von Oberitalien her, über die Alpenpässe der östlichen und westlichen Schweiz hinauf zur Oberen Donau und weiter ins Neckartal gelangte. Zwischen Basler Rheinknie und dem westlichen Ende des Bodensees war dies die einzige von der Natur vorgegeben Nord-Süd-Route, in römischer Zeit zu einer Hauptstraße ausgebaut, an der u.a. die später wichtigen Plätze Vindonissa (Windisch im Aargau), Brigobannis (Hüfingen) und Arae Flaviae (Rottweil) lagen. Über den Rhein als Wasserstrasse war außerdem Nachschub aus Gallien möglich, wobei vermutliche der Hafenplatz Augusta Raurica (Augst bei Basel) eine wichtige Rolle spielte.
Für die ganze XIX. Legion reichte der zur Verfügung stehende Platz mit etwa 14 bis 15 ha Lagergröße nicht aus, zumal auch noch Hilfstruppen unterzubringen waren. Jedenfalls lässt sich archäologisch die Anwesenheit eines nicht allzu kleinen gallischen Reiterkontingents wie auch von orientalischen Bogenschützen erschließen. Hinweise auf eine germanische Komponente im Lager sind spärlich, aber immerhin vorhanden. Auch dies würde gut zum Gesamtbild einer solchen „Expeditionsarmee“ frührömischer Zeit passen, wie wir es auch von anderen militärischen Fundplätzen und aus der schriftlichen Überlieferung kennen.
Die exakte Datierung des Dangstetter Lagers, einerseits aus dem historischen Kontext (Alpenfeldzug), andererseits nach dem Münzbestand, macht es erstmals für Südwestdeutschland möglich, das archäologische Formenspektrum mittelaugusteischer Zeit zu definieren und die hierbei gewonnenen Erkenntnisse auch auf anderer Fundplätze anzuwenden und in andere Regionen des Römischen Reiches zu übertragen.
Quelle: G. Fingerlin, Dangstetten II